road movie 2

dinerSpät war es geworden am Tag vorher. Eigentlich hätten wir bereits in Santa Barbara sein sollen. So war es ursprünglich geplant. Aus verschiedenen Gründen waren wir jedoch noch weit vor unserem Ziel in San Luis Obispo. Zumindest ich hatte tief und fest geschlafen. Kein Wunder bei dem langen Tag, der hinter uns lag. Da wir am letzten Abend nur wenig gegessen hatten, machte sich der Hunger an diesem Morgen umso stärker bemerkbar. Das Motel lag direkt an der 101 und in unmittelbar Nähe konnten wir nichts erkennen, was irgendwie danach aussah, als konnte man etwas Essbares bekommen. Aber dies war ja das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, also rein in den Wagen und rauf auf die 101. Irgendwo auf der Strecke werden wir schon etwas finden.

Als ich hinter dem Lenkrad sass, fiel mir zuerst auf, dass der Tank schon wieder bedrohlich leer war. Ich erinnerte mich an die Tankstelle mitten im Nichts und daran, dass ich ja den Tank nur zur Hälfte gefüllt hatte. Es schien also so, als ob das Auto an diesem Tag als erstes etwas zum Schlucken bekommen sollte. Die 101 führte uns sehr schnell hinaus aus San Luis Obispo. Beiden hielten wir Ausschau nach bunten Schildern oder Tafeln, die auf ein Diner oder ähnliches hinwiesen. Das Grummeln im Magen wurde langsam unerträglich. Und tatsächlich: Direkt an dem Highway, der hier eher wie eine Bundesstraße aussah, stand ein alter Wagon, umgebaut zu einem kleinen, typisch amerikanischen Restaurant. Das Klischee hätte nicht besser bedient werden können.

Als wir uns dem Eingang näherten, zweifelten wir kurz, ob das Ding überhaupt geöffnet hatte. Wir konnten durch die Fenster niemanden entdecken. Doch, ganz hinten sass ein Typ, eher ein Bär. Er verschlang, so schien es zumindest aus der Entfernung, gerade einen ganzen Berg von Rührei. Ob dieses Anblicks machte sich mein Magen sofort bemerkbar. Ein Kaffee, selbst wenn es ein amerikanischer sein würde, könnte jetzt auch nicht schaden.

diner2Inzwischen kam aus einer anderen Ecke auch bereits eine Kellnerin auf uns zu. Sie passte perfekt zu diesem Diner. Man war geneigt sich vorsichtig umzuschauen, ob man nicht aus Versehen in irgendeiner Filmkulisse gelandet wäre. Nein, es schien ganz so, als ob dieser Platz echt war. Und mit einem wirklich echten “Hi boys” wies sie uns die Richtung zu einem der kleinen Tische, die an der Wand des Wagons angebracht waren. Wir zwängten uns auf die roten Lederbänke und studierten das Menü. Mit dem gleichen Grinsen, mit dem wir begrüßt wurden und einem lang gezogenen “Here you go guys” wurden unsere Kaffeebecher bereits aufgefüllt. Stilecht mit dem Logo des kleinen Restaurants bedruckt: “Rock’n’Roll Diner, California”. Ich entschied mich schnell für das komplette Frühstück mit all den kleinen Sünden: fettiger Speck, Würste, Bratkartoffeln – und jede Menge Rührei. Etwas Toast durfte es natürlich auch sein. Während wir auf das Essen warteten, blieb etwas Zeit, sich das Interieur genauer anzuschauen: Es war wirklich alles im Stil der 50er Jahre gehalten. Die Wände und die Decke des Wagens waren zudem mit tausenden von Visitenkarten überzogen. Wir ärgerten uns, dass wir unsere noch im Wagen hatten. Und extra aufstehen wollte auch keiner, nur um ein Stück deutsche Firma hier zu hinterlassen.

Inzwischen war noch ein älteres Ehepaar von dem Highway draussen in den Diner zum Frühstück gekommen. Auch sie bedienten vorzüglich das Klischee des amerikanischen Rentners: Karierte Shorts und Polohemd. Durch das Fenster konnten wir ein Mobile Home erkennen. Das Ehepaar gehörte also zu den so genannten “Snowbirds”, den Amerikanern, die im Ruhestand im Wohnmobil durch das Land ziehen.

Hinter mir konnte ich das Quietschen der Eingangstür und auch schon ein lautes, quakiges “Hey guys, no need to be hungry anymore” hören. Unser Essen kam. Nach reichlich Zugabge von Salz, Pfeffer und diversen Soßen ließ ich mir die Bratkartoffeln und das ganze andere ungesunde Zeug schmecken. Kaffee wurde nachbestellt, schien dieser doch nur in rauen Mengen seine Wirkung zu entfalten. Wenn er überhaupt irgendwie wirken sollte.

Gestärkt verließen wir das Diner, setzten uns wieder in unser kleines Schlachtschiff, legten die nächste CD ein und fuhren wieder auf die 101 Richtung Süden. Es war inzwischen irgendwas um zehn Uhr, und auf der Karte hatte ich gesehen, dass wir bald wieder auf der Nummer 1 sein würden, die dann allerdings nicht mehr am Meer entlang führte, sondern quer durch wahrscheinlich spärlich bewachsenes Gebiet und an diversen Militärgebieten vorbei. Guadalupe, Santa Maria und Lompoc galt es noch zu durchqueren, bevor wir endlich Santa Barbara erreichen würden. Das Problem war, dass wir am Abend bereits in Irvine, südlich von Los Angeles sein sollten. Es hiess also straff durchfahren, und die Geschwindigkeitsbegrenzungen ausreizen, so gut es ging.

santa barbaraEinige Meilen hinter Lompoc, vereinigten sich die Nummer 1 und die 101 wieder und führten endlich wieder am Meer entlang. Wieder hatten wir atemberaubende Ausblicke auf den Pazifik. Diese Aussicht und dieses einmalige Gefühl konnten wir den ganzen Weg bis hinein nach Santa Barbara geniessen. Nach einem kurzen Halt waren wir auch bereits wieder auf dem Weg weiter Richtung Süden, hatten wir doch ein klares Ziel vor Augen: Wir mussten am Abend im Hotel einchecken, begann die Konferenz am nächsten Morgen doch schon sehr zeitig. Mein Beifahrer zeigte mir auf der Karte, dass wir bald an all den ganzen bekannten Orten vorbei fahren würden: Malibu, Santa Monica, Long Beach.

Bereits in Malibu konnten wir links von uns die ganzen Villen und spektakulären Hauskonstruktionen bewundern. Weiter ging es in Santa Monica und Venice. Wir entschlossen uns, der Nummer 1 auch durch Los Angeles weiter zu folgen. Bald stellte sich heraus, dass das keine so gute Idee war, ging sie doch direkt durch Harbor City in Long Beach. Eine weniger gute Gegend. Zu allem Überfluss steckten wir auch im Stau zwischen den verschiedensten Lieferfahrzeugen und anderen Trucks fest, die entweder aus oder in dieses Industriegebiet wollten.

LADie Sonne stand bereits tief, als wir endlich in Newport Beach ankamen. Von hier aus waren es nur noch ein paar Meilen nach Irvine und unserem Hotel. Wir checkten schnell ein, schafften das Gepäck auf die Zimmer und beeilten uns, wieder hinunter nach Newport zu kommen, damit wir den nahenden Sonnenuntergang stilecht auf dem Pier erleben konnten. Später setzten wir uns in eines der unzähligen kleinen Restaurants auf der Halbinsel und genossen noch ein paar Bier, wissend, dass es am nächsten Tag wieder ernst werden würde. Dass am nächsten Tag wieder der Terminkalender und Agendas den Tagesablauf bestimmen werden würden.

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