kampfmücke

Langsam senkt sich die Dunkelheit auf das kleine Dorf, dringt in das Schlafzimmer. Schwer sind die Augenlider. Ganz schwach kann man draussen schon die helle, volle Scheibe des Mondes erkennen. Ein paar Vögel tummeln sich noch an dem kleinen See. Ein letztes Bad für heute, ein letztes Lied. Bald entfernen sich auch ihre Stimmen, ihr Gesang. Sanft wird man vom Schlaf erfasst, taucht ein in diese andere Welt. Nimmt Eindrücke vom letzten Tag mit, denkt schon an das, was morgen sein wird, schwebt davon. Ein letztes Mal dreht man sich im Bett, bereitet sich vor für ein entspanntes Träumen, Fliegen. Ganz leicht spürt man noch die letzten Atemzüge, bevor man endgültig in die Traumwelt gleitet – meint man.

Dieser letzte Atemzug war eine hinterhältige, gemeine – hier bitte im Sinne von “fies” zu lesen – Stechmücke, die, immer auf der Suche nach etwas Schmackhaften, nach jemanden, den sie meint die ganze Nacht ärgern zu müssen, mir leicht um das Gesicht säuselte. Ja, man könnte ihr Absicht und Berechnung unterstellen. Kann sich quasi vorstellen, wie sie aufmerksam an der Zimmerdecke wartend, ihr Opfer fixiert und beobachtet hat. Wie sie geduldig die Minuten gezählt hat, bis ihr ausgesuchtes Ziel wehr- und ahnungslos vor ihr lag. Vermeintlich ohne jeden Sinn für das Hier und Jetzt, es bereits im Reich der Träume wähnend, auf die ideale Gelegenheit zum Zuschlagen lauernd.

Dieses Gefühl, dieses kleine Kribbeln wird immer stärker. Es weitet sich aus zu einem Jucken, Stechen. Gipfelt in einem unbeschreiblichen Schmerz. Direkt an der Lippe. Am Mund. Genau dort.
Dieses alte Mistvieh! Man fährt herum, jäh zurückgerissen aus den traumhaften Gefilden, in denen man bereits wandelte. Schlägt um sich voller Zorn: Was ist los? Au! Verdammt! Wo ist der Täter?

Inzwischen meint man, man hätte einen kompletten Tennisball in die Unterlippe implantiert bekommen, und jemand würde ständig darauf hauen. Schmerz! Oh, das wirst Du büßen. Du Satan der Nacht, du nichtswürdige Kreatur, du hinterhältiges Etwas, du Scheusal. Aua!

Man schlägt um sich, wirft Kissen und Bettzeug in die Richtung, in der der Feind vermutet wird, hält inne, lauscht. Versucht das verräterische Summen zu erhaschen, welches den Aufenthalt des Gegners verraten könnte – welches jedoch auch eine neue Attacke von ihm ankündigen würde. Da! Patsch! Verflucht, daneben. Tischdekoration fällt, Kollateralschäden auch auf dem Bücherregal. Es kann keine Rücksicht genommen werden. Es gilt zu siegen. Rückzug ist keine Option. Der Schlaf in all seine Friedlichkeit ohne jegliche Störung muss zurückerobert werden.

Licht! Licht! Die Geheimwaffe. Schaltet das Licht an. Blendet diese Ausgeburt der Hölle, verwirrt sie. Da, ja. Sie sitzt, völlig benommen vom plötzlich auftretenden Flutlicht, direkt vor ihrem ärgsten Feind.

muecke in zeitungAug’ in Aug’ stehen sie sich gegenüber. Beide nächtlichen Kämpfer, erschöpft, am Ende ihrer Kräfte. Nur einer wird gewinnen, einer muss gewinnen. In diesem Raum ist kein Platz für beide. Zwei kleine Staubfusseln fliegen sacht von links nach rechts durch die Duellanten. Die Spannung wäre für jeden spürbar, wären sie nicht allein. Da! Patsch! Ein Schlag zerreißt die Stille. Man konnte es kaum sehen. Mit überirdischer Geschwindigkeit wurde der nächtliche Störenfried getroffen. Die “Bild der Frau” “Frau im Trend” erwischte ihn von schräg oben, traf ihn an der empfindlichsten Stelle. Exitus. Wieder Stille.

Der Sieger lässt sich kraftlos nach unten gleiten, zurück auf die Stätte der abgebrochenen Träume, leckt seine Wunden. Versucht das Pochen in der Lippe zu ignorieren. Versucht dem Stolz die Oberhand zu lassen. Erschöpft dreht er sich ein letztes mal auf die Seite. Der Schlaf kommt. Stille. Träume.

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