dummer ostprolet

Nun ist es raus. Jahrelang konnte ich es verbergen, konnte mich durch das System mogeln. Schon früh hatte ich gelernt, mein wahres Ich zu verbergen. Habe Zeugnisse gefälscht, meine animalischen, grausamen Triebe im Wald ausgelebt. Die Fähnchen – die roten – habe ich natürlich voller Stolz und Überzeugung jeden Ersten im Mai geschwungen. Auch Halstücher und Hemden habe ich geliebt. Gesagt habe ich das natürlich niemandem. Abends habe ich unter der Decke die Werke von Marx und Engels verschlungen – und morgens irgendwelche harmlosen Abenteuerromane neben das Bett gelegt – zur Tarnung. Quasi jeder von den Arbeiterkindern, die ich kannte war ungewollt und hatte noch so zwei, drei Geschwister – irgendwo verscharrt in irgendwelchen Blumenkübeln. Ging uns ja nichts an. Im Sandkasten haben wir die Oktoberrevolution nachgestellt (was habe ich den Panzerkreuzer Aurora geliebt) und in der Schule haben wir Gedichte russischer Arbeiter rezitiert. Als ich älter war, haben wir uns an der Tanke zu stupiden Sauftouren getroffen, uns angegrunzt. Offiziell natürlich getarnt als Theater-AG. Die Uni war eigentlich ein Heim verstossener Jugendlicher, die keiner mehr haben wollte, für die sich keiner mehr interessiert hat.

Heute sitze ich hier, versuche täglich mit meiner beschränkten Intelligenz die hochkomplexen Aufgaben zu bewältigen. Meist frage ich heimlich freundlich gesinnte Kollegen (ausm Westen natürlich), ob sie mir nicht helfen könnten. Bei Verneinung habe ich meist Mühe, meine Agressivität unter Kontrolle zu halten und nicht den niederen Instinkten zu erliegen.

Aber, Lenin sei Dank, muss ich das alles nun nicht mehr. Dieser ganze Druck ist weg. Ohne die netten Menschen Schöhnbohm und Stoiber hätte ich das nicht mehr lange ausgehalten. Jetz darf ich endlich offen und frei ein dummer Proletarier sein. Darf mich verbrüdern mit ähnlichen Opfern. Darf ein Ossi sein. Ein Frustrierter. Rot Front!

2 thoughts on “dummer ostprolet

  1. Ich glaube Du sprichst vielen Deutschen aus der Seele. Ich sehe da kein Intelligenzgefälle von Westen nach Osten sondern eher von Norden nach Süden.

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